Mobilitätsmanagement ist notwendig

Wer S-Bahnen sät, wird Verkehr ernten und die Straßen leeren

„Wir siedeln Menschen an, die Mobilitätsbedürfnisse haben“, so sagt Gudrun Wilhelm, entsteht Verkehr. Zusammen mit der FDP-Regionalfraktion befürwortete sie die Einführung eines regionalen Mobilitätsmanagements.

Momentan ist vor allem das Auto noch erste Wahl in der Region, wenn es um Mobilität geht. Gudrun Wilhelm ging in ihrer Rede auf die Zusammenhänge und die Möglichkeiten von Mobilitätsmanagement ein. Hier die Rede im Wortlaut: „Sie kennen den Spruch: „Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten“. Wer ihn zuerst gesagt hat, liegt im Dunkeln. Aber diese Variante hier habe ich laut Google noch für mich allein: „Wer S-Bahnen sät, wird Verkehr ernten“. Und er wird seine liebe Mühe haben, diesen Verkehr im Griff zu behalten. Stau auf der Straße oder Stau auf dem Bahnsteig, das sind vielleicht Unterschiede in der Qualität des Wartens, aber Stau ist Stau.

Der Grund ist in beiden Fällen derselbe: Menschen, die von A nach B wollen oder müssen. Denn Straßen an sich können keinen Verkehr verursachen. Wer’s nicht glaubt, eine Fahrt nach Mecklenburg-Vorpommern genügt. Dort finden wir breite Straßen, aber kaum Verkehr. Es fehlen die Menschen, die Firmen, der Bedarf, außer in den Ballungszentren. Da staut es sich ein bisschen.

Aber zurück in die Region Stuttgart und die Stauhauptstadt Stuttgart. Wobei ich behaupte, würden die S-Bahn-Kunden so präzise erfasst, wie die Autofahrer über ihre Navis, hätten wir gute Chancen auch zur Stauhauptstadt im ÖPNV zu werden. Der tägliche Störungsmelder, den die Stuttgarter Zeitungen veröffentlichen, spricht jedenfalls Bände.

Aber wenn es nicht die Verkehrswege sind, die Verkehr erschaffen, woran liegt es dann? Es liegt natürlich an den Menschen. Es liegt an unserer Wohnbaupolitik, an der Politik bei der Ansiedlung von Firmen und Arbeitsplätzen. Wenn wir Wohnungsbauschwerpunkte entlang der S-Bahn-Achsen ausweisen, welche Folgen hat das logischerweise? Wir siedeln Menschen an, die zu Arbeitsplätzen müssen. Wir siedeln Menschen an, die einkaufen gehen, die zur Schule gehen, die sich einen schönen Tag machen möchten.

Kurz und knapp: Wir siedeln Menschen an, die Mobilitätsbedürfnisse haben. Das ist die entscheidende Antwort auf die Frage, wie Verkehr entsteht. Männer, Frauen und Kinder entscheiden sich. Wie komme ich am schnellsten und/oder am bequemsten ans Ziel? Auto? Fahrrad? Bus? S-Bahn? Das ist das ganze Geheimnis: Verkehr entsteht dort, wo das Angebot am besten die Bedürfnisse des Menschen befriedigt. Das war übrigens in den 70er Jahren schon das Ergebnis der Studie, der das Eingangszitat zugrunde liegt.

Das belegt auch die Sitzungsvorlage: Dort steht zu lesen, „dass sich trotz der gestiegenen Fahrgastnachfrage im ÖPNV der Modal Split, zu deutsch die Verteilung auf die Verkehrswege, nicht spürbar zugunsten des ÖPNV verbessert hat. Die Ursache dafür liegt in der nach wie vor stattfindenden Zunahme von Fahrten im Individualverkehr.“ Oder auf deutsch, das Auto ist attraktiver. Oder es gibt einfach keine passende Haltestelle.

Hier müssen wir ansetzen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich benutze die S-Bahn täglich. Ich weiß, dass wir dort momentan von einem optimalen System meilenweit entfernt sind. Ein regionales Mobilitätsmanagement, wie in der Vorlage vorgeschlagen, tut Not. Die FDP-Regionalfraktion ist dafür. Wir brauchen aber auch ganz konkrete Kapazitätserweiterungen. Wir brauchen den zweiten S-Bahn-Tunnel. Wir brauchen ETCS. Wir brauchen die Maßnahmen, die wir im Juni im Verkehrsausschuss in der Strategie zum Ausbau der Schieneninfrastruktur diskutiert haben. Wir brauchen einen Mobilitätsrechner. Denn Geld ist immer ein gutes Argument – bei der Wahl des Wohnorts und des Verkehrsmittels.

Wir brauchen eine attraktive und vor allem verlässliche S-Bahn. Denn die Konkurrenz wächst: Seit Monatsanfang liegt die Zahl der Pkw in der Region bei 1.577.916 (einer Million, fünfhundertsiebenundsiebzigtausend neunhundert und sechzehn) Autos, über 31.000 mehr als vor einem Jahr. Es ist höchste Zeit, besseren ÖPNV zu säen, um Verkehr zu ernten, sprich von der Straße abzuziehen.“