Stuttgarter Autos vom Fahrverbot ausnehmen

FDP-Regionalfraktion will freie Fahrt für Stuttgarter, wenn Fahrverbote kommen

Keine Ausnahmegenehmigungen, sondern freie Fahrt für alle Fahrzeuge mit Stuttgarter Kennzeichen schlägt die FDP-Regionalfraktion vor. Das sei weniger bürokratisch und außerdem seien die Stuttgarter Opfer der Luftverschmutzung und nicht Verursacher.

Diese Karte wurde am 6. März 2017 in der Hessischen Allgemeinen (HNA) veröffentlicht. Sie zeigt die erste Phase der Fahrverbote, die für 2018 angekündigt sind. In diesem Modell ist der Raum für Fahrverbote vergleichsweise eng begrenzt. Deswegen machen aus Sicht der FDP aufwendige Ausnahmeregelungen weder wegen dieser kleinen Zone noch wegen einer möglichweise größeren Zone ab 2020 Sinn.

 

Für den verkehrspolitischen Sprecher der FDP-Regionalfraktion Armin Serwani ist es logisch, dass Stuttgarterinnen und Stuttgarter vom Fahrverbot ausgenommen werden sollen, ohne erst lange Ausnahmegenehmigungen beantragen zu müssen: „Die Stuttgarterinnen und Stuttgarter sind Opfer einer Verkehrspolitik, die ihre Stadt zum Verkehrsbrennpunkt gemacht hat. Sie sind Opfer der Fahrzeughersteller, deren Fahrzeuge mehr Schadstoff produzieren als zugelassen. Sie sind Opfer und nicht Verursacher des Problems. Deswegen ist es aberwitzig, ausgerechnet ihnen ein Fahrverbot aufzubürden, egal, welche Form ein solches Fahrverbot hat. Wenn wir es korrekt ausdrücken, brauchen wir kein Fahrverbot in oder für Stuttgart, sondern ein Ein- und Durchfahrtsverbot von außerhalb nach Stuttgart. Daraus folgt: Alle Fahrzeuge mit Stuttgarter Kennzeichen müssen generell von einem Fahrverbot ausgenommen werden. Das ist logisch: Die rund 298.000 Stuttgarter Pkw alleine würden in der Stadt kein Schadstoffproblem verursachen. Der Verkehr von außen trägt die Schadstoffe in die Stadt.“

Die FDP-Regionalfraktion sprach sich in der Sitzung der Regionalversammlung für eine gerechte Verteilung der Verkehrslast auf alle Kommunen der Region aus. Momentan werde allerdings durch die Verkehrsführung, die die Bundesstraßen in Stuttgart bündele, vor allem Stuttgart belastet.

Im Folgenden die Rede Zu „einer öffentlichen Debatte, die zuweilen mehr an Voodoo als an eine vernunftgesteuerte Diskussion erinnert“, im Wortlaut: Kommen wir zu den Fakten:

Erstens: Die Sitzungsvorlage konzentriert sich auf die Zusammenhänge zwischen Verkehr und Luftreinhaltung. Sie deckt insofern also nur einen Teil der Luftbelastung ab.

Nach dem Emissionskataster der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz sind das

beim Feinstaub rund 45,4 Prozent

bei den Stickoxiden rund 52,1 Prozent .

Weil darin alle Verkehrsmittel enthalten sind und diverse Daten und Prozentzahlen dazu durch die Gegend geistern, verlasse ich diesen Punkt aber gleich wieder. Fakt ist, Verkehr ist zu etwa der Hälfte Quelle der kritischen Schadstoffe.

Zweitens: Feinstaub ist auch ein Wetterproblem. Wäre dem nicht so, wäre die Feinstaubsaison am 15. April nicht vorüber, obwohl genau die gleiche Autozahl unterwegs ist, wie am 14. April. Und wir hätten in den 366 Tagen des Jahren 2016 nicht an 303 Tagen ganz brauchbare Luft Am Neckartor und an 63 Tagen Grenzwertüberschreitungen beim Feinstaub.

Drittens: Die Stickoxidwerte lagen 2016 im Jahresmittel Am Neckartor und in der Hohenheimer Straße mit 82 und 76 µg/m3 fast doppelt so hoch wie der zulässige Jahresmittelwert von 40 µg/m3.

Viertens: Die Probleme sind überwiegend hausgemacht. Seit Jahren steigen die Verkehrszahlen ständig. Die neuesten Pendlerzahlen für Stuttgart sprechen eine deutliche Sprache: Rund 230.000 pendeln rein, rund 79.000 pendeln raus, soweit sie sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind. Da dürften also noch ein paar tausend Freiberufler, Selbständige und Sonstige mit Büros oder Jobs oder Studierende in Stuttgart dazukommen. Dazu kommen die Kunden für die ständig ausgebauten Einzelhandelsflächen. Dazu kommt ein Durchfahrtsverkehr, der zwangsläufig durch die Stadt muss, weil sich hier drei Bundesstraßen kreuzen. Auf diesen Straßen steigt der Verkehr an. An der Dauerzählstelle der B10 in Stuttgart-Zuffenhausen ist der Pkw-Verkehr von 2005 bis 2016 von rund 68.500 auf fast 79.000 Pkw angewachsen. Das sind allein 10.000 Pkw mehr. Aus anderen Richtungen kommen sogar noch mehr Fahrzeuge. Bei der letzten Stuttgarter Verkehrszählung im Jahr 2015 passierten laut Bericht der Stadt 397.000 Autos am Tag der Verkehrszählung den Talkessel. Das wäre immerhin eine Verringerung von 7.000 Fahrzeugen gegenüber der Zählung im Mai 2013. Das ist nur eine Momentaufnahme und selbst wenn das an anderen Tagen auch so wäre, wäre es bei weitem nicht genug, um ausreichend Schadstoffentlastung zu bringen.

Fünftens: Verkehrsverringerung braucht unterschiedliche und alle Formen des Verkehrs umfassende Ansatzpunkte. Das zeigt der vorliegende Bericht in allen Punkten deutlich auf.

Was lernen wir daraus?

Erstens: Die Stuttgarterinnen und Stuttgarter sind Opfer einer Verkehrspolitik, die ihre Stadt zum Verkehrsbrennpunkt gemacht hat.

Sie sind Opfer der Fahrzeughersteller, deren Fahrzeuge mehr Schadstoff produzieren als zugelassen. Sie sind Opfer und nicht Verursacher des Problems.

Deswegen ist es aberwitzig, ausgerechnet ihnen ein Fahrverbot aufzubürden, egal, welche Form ein solches Fahrverbot hat. Wenn wir es korrekt ausdrücken, brauchen wir kein Fahrverbot in oder für Stuttgart, sondern ein Ein- und Durchfahrtsverbot von außerhalb nach Stuttgart. Daraus folgt: Alle Fahrzeuge mit Stuttgarter Kennzeichen müssen generell von einem Fahrverbot ausgenommen werden. Das ist logisch: Die rund 298.000 Stuttgarter Pkw alleine würden in der Stadt kein Schadstoffproblem verursachen. Der Verkehr von außen trägt die Schadstoffe in die Stadt. Stuttgarter Fahrzeuge, die aus der Stadt hinausfahren, entlasten sogar die städtische Schadstoffbilanz. Sie belasten sie natürlich anderswo, auch das ist klar. Aber das ist kein Grund die Stuttgarterinnen und Stuttgarter mit einer Enteignung ihrer Fahrzeuge zu bestrafen. Und diese Enteignung wird nicht nur Diesel-Fahrer mit grüner Plakette treffen. Ab 1. September wird es auch bei den neuen Benzinern die Pflicht zu Partikelfiltern geben. Glaube doch keiner, dass nach Einführung dieser Euro-6c-Norm die Autofeinde nicht auch gegen die älteren feinstaubproduzierenden Benzineinspritzer zu Felde ziehen werden.

Zweitens: Wenn der Durchgangsverkehr aus der Region wegen eines Fahrverbots nicht mehr durch die Stadt fahren darf, um die Luft in Stuttgart sauberer zu machen, wie von der EU verlangt, müssen Alternativrouten ausgewiesen werden. Das kann auch ohne Fahrverbot jetzt schon geschehen. Stuttgart hat auch ein Recht auf regionale Solidarität. Wir geben dem FW-Kollegen Buß völlig Recht, wer er sagt: „Am Ende ist es so, dass alle Menschen in der Region ein Anrecht auf gute Luft haben. Es sei nicht angebracht, dass einer ent- und dafür andere belastet würden.“ Dem stimmt die FDP-Regionalfraktion zu, denn der genannte Gleichbehandlungsgrundsatz gilt dann sicher auch für die Stuttgarterinnen und Stuttgarter, die momentan mit der Hauptverkehrslast belastet werden.

Drittens: Um den Pendlerverkehr zu senken, brauchen wir neue Ansätze. Bisher ist es uns nur gelungen, den so genannten Modal-Split zu halten. Das ist zu wenig, aber nicht verwunderlich. Unser ÖPNV ist gut, aber unpünktlich und tariflich, sagen wir mal, etwas kompliziert. Einfach, nutzerfreundlich und vor allem verführerisch ist anders. Die SPD-Kollegen haben am Montag pressewirksam einen „großen Wurf“ gefordert. Die FDP-Regionalfraktion wäre in diesem Punkt an ihrer Seite, obwohl die Kolleginnen und Kollegen im Verkehrsausschuss vor fast exakt einem Jahr am 27. April 2016 den richtig großen Wurf ja verhindert haben. Da fand der einfache Berichtsantrag der FDP „Der Verkehrsausschuss fordert die Geschäftsstelle und den WS auf, ein zwei- Zonen-Modell für das Verbundgebiet zu prüfen und im Verkehrsausschuss über das Ergebnis der Prüfung, auch hinsichtlich der Kosten, zu berichten“, nur sieben ja Stimmen. Sonst wüssten wir heute auch da schon Bescheid. Aber egal: Wir fordern weiterhin ein Zwei-Tarifzonen-Modell. Eine Zone Stuttgart, eine Zone Umland und freuen uns auf die Solidarität der SPD.

Wir fordern auch, dass wir alle das hervorragende Papier der Verwaltung nicht einfach zu den Akten legen, sondern als Anleitung zum Handeln betrachten: Wir müssen investieren, wo diese Investitionen in Form von schnellerem und besserem Verkehr Früchte tragen. Wir müssen Druck machen, wo sich Bund und Land aus der Verantwortung stehlen. Die Abstimmung über den Regionalverkehrsplan wird der nächste große Prüfstein werden.

Wir von der FDP Regionalfraktion sind gespannt, welche Taten den Worten folgen werden.“