Kai Buschmann kritisiert, dass Möglichkeiten der breiteren Bürgerinformation nicht genutzt werden

Ist Livestreaming Teufelszeug?

Die fünfte Regionalversammlung beschließt ihren letzten Haushalt und  macht es fast immer noch so wie Mitte der neunziger Jahre: „Livestreaming ist anscheinend Teufelszeug“, Kai Buschmann hätte beim Beschluss über den 350 Millionen-Etat gerne mehr Öffentlichkeit gehabt.

Den Antrag der FDP auf eine Drehgenehmigung hat der Verbandsvorsitzende Thomas Bopp angelehnt. Die FDP hat sich deswegen ans Regierungspräsidium und an Innenministerium gewandt. Das RP gab Bescheid, dass es so schnell nicht entscheiden könne. So blieb es bei einer Haushaltsberatung à la 90er Jahre. Und die Voraussage, dass von der folgenden Haushaltsrede in den papiernen Medien nicht viel übrigbleiben würde, trat ein. STZ am Abend: „FDP-Fraktionschef Kai Buschmann monierte, dass Sitzungen der Regionalversammlung nicht im Internet übertragen werden dürfen. Dies werde seine Fraktion rechtlich überprüfen lassen.“ Was aber eine vollkommen korrekte Aussage ist. Nur eben nicht alles. Hier der Wortlaut der Rede:

„Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

die fünfte Regionalversammlung beschließt heute ihren letzten Haushalt und sie macht es fast immer noch so wie Mitte der neunziger Jahre, als sie erstmals tagte. Wir haben zwar jetzt zum großen Teil Tablets, aber Internet kommt hier nicht rein. Livestreaming ist anscheinend Teufelszeug. Die Menschen sollen gucken, wo sie ihre Informationen herbekommen. Und das um 16.30 Uhr am Nachmittag.

Regionalversammlung 4.0 – am heutigen Tag wird da nichts mehr draus. Wir hätten heute gerne meine Rede – und nur meine Rede – gefilmt und ins Netz gestellt. Aber wir haben von unserem Verbandsvorsitzenden keine Dreherlaubnis bekommen. Deswegen sind wir jetzt am Punkt „So geht’s nicht weiter“. Kollege Albrecht Braun hatte es im Wirtschaftsausschuss ja schon angekündigt und manche haben es in den letzten Tagen in der Zeitung gelesen. Unsere Fraktion macht jetzt die Probe aufs Exempel und hat Regierungspräsidium und Innenministerium eingeschaltet, die die Öffentlichkeitsverweigerung rechtlich beleuchten sollen.

Wir hatten gehofft, dass sich bis zur heutigen Sitzung klären lässt, ob wir in unseren Rechten beschnitten werden: Aber das Regierungspräsidium hat uns am Montag, also vorgestern, mitgeteilt, dass es so schnell keine Entscheidung hinbekommt. Wir akzeptieren das. Wir wollen eine fundierte Aussage. Wir wollen nicht mit dem Kopf durch die Wand.

Aber verstehen müssen wir deshalb die Öffentlichkeitsscheu des Verbandes nicht. Oder die der handelnden Figuren: Der Kollege Fritz Kuhn überträgt inzwischen ganze Gemeinderatssitzungen der Landeshauptstadt per Livestream. Zwei Kilometer von hier entfernt, haben die Menschen die Möglichkeit, zu sehen und zu hören, wer was gesagt hat. Auf stuttgart.de können Sie die Redebeiträge der Generaldebatten ansehen.

Woher kommt diese Abneigung der Regionalversammlung gegen diese gar nicht mehr so neue Anwendung der Sozialen Medien? Der Bundestag tut’s, der Landtag tut’s, der Stuttgarter Gemeinderat tut’s. Überall fördern Aufzeichnungen die Transparenz. Zugegeben, sie machen es schwerer, sich daneben zu benehmen: Männersprüche zur Frage, wie sicher sich Frauen in S-Bahn-Zügen fühlen dürfen, wie sie aus dem Verkehrsausschuss zum FDP-Antrag aus CDU-Reihen kolportiert werden, fallen dann schwerer. In den papiernen Protokollen fallen sie im Moment nämlich unter den Tisch.

Videoprotokolle versachlichen die Debatte, sie verändern aber nicht die Lust an der politischen Auseinandersetzung. Und sagen wir es doch ganz klar: Politische Auseinandersetzung lebt davon, dass sie nach außen dringt. Da hätte ich persönlich ganz offen gesagt auch manchmal gern mehr als den einen Satz, den der Verband meiner Fraktion in seinen Pressemitteilungen zugesteht. Liegt da vielleicht ein Motiv für die Ablehnung unserer Initiative durch die Mehrheit?

Nehmen wir als Beispiel die Anträge, die die Fraktionen gestellt haben. Die meisten Fraktionen haben sich viel Arbeit gemacht, um fundierte Anträge zu stellen. Aber wer weiß draußen in der Region davon? Wer Zeitung liest, hast einen Einblick, aber nur einen kleinen. Das ist kein Vorwurf, keine Medienschelte. Einzelne Themen sind gut aufbereitet – für die Masse unserer Diskussionen gibt es aber nicht genug redaktionellen Raum in den Printmedien.

Die Diskussionslage kann sich ja schnell ändern und da wäre ein verlinkbares Videoprotokoll hilfreich. Beispiel: Wir haben bei den Haushaltsberatungen Trinkbrunnen an S-Bahn-Stationen beantragt – vom Verkehrsausschuss abgelehnt. Tage später fordert Bundesumweltministerin Svenja Schulze öffentliche Trinkbrunnen, weil sie – Trinkflasche statt Plastikflasche – ökologisch sind. Was ist, wenn der nächste Sommer wieder heiß wird und in den Stationen Menschen umkippen? Wir scheuen uns nicht vor politischen Diskussionen und würden die gerne in den Sozialen Medien führen. Die Arbeit der Verbandsversammlung würde interessanter werden und ein paar Menschen mehr erreichen. Liegt auch hier vielleicht ein Motiv für die Ablehnung? Manche möchten vielleicht nicht Wort für Wort daran erinnert werden, was sie einmal gesagt haben.

Oder nehmen wir das Thema Notfallsäulen – unser Haushaltsantrag: Solange nichts passiert, ist alles prima. Aber der Satz „es ist noch nie etwas passiert“, wird beim ersten Todesfall nichts helfen, wenn die Frage nach den Verantwortlichen gestellt wird. Wir freuen uns, dass dieses Thema jetzt im zweiten Anlauf angegangen wird.

Kurz und gut: Wir sind nicht immer glücklich, aber zufrieden mit dem, was wir mit unseren Anträgen erreicht haben. Wir haben die Geduld abzuwarten, bis sich bestätigt, dass wir gute Vorschläge gemacht haben, wo wir im ersten Anlauf keinen Erfolg hatten. Wir werden dem Haushalt zustimmen und bei den uns wichtigen Fragen „das dicke Brett weiter bohren“.

Wir sehen aber einen ganz besonderen Punkt, bei dem wir einen Vorbehalt machen: Wir verabschieden einen Haushalt mit einem Volumen von 348 Millionen Euro. Wir haben vorgeschlagen zu prüfen, ob der Verband für Ausgaben im Bereich Luftreinhaltemaßnahmen zuständig ist. Bei ETCS hat es funktioniert, woanders sehen wir eine gewisse Leichtfertigkeit, Kosten zu übernehmen, die den Verband nichts angehen. Das Mindeste wäre dies gutachterlich prüfen zu lassen. Schon aus Selbstschutz der Verantwortlichen. Wir können damit leben, wenn unsere Warnung in den Wind geschlagen wird. Wenn es hart auf hart kommt, geht die Überprüfung sogar ohne Regionalversammlung 4.0. In dem Fall reichen die papiernen Protokolle.

Wohlgemerkt: Wir sind dafür, dass der Verband sehr viel Geld in die Hand nimmt, um mehr als 50 S-Bahn-Züge und ETCS anzuschaffen. Uns interessiert die Verpflichtung zur Kostenübernahme durch Andere. Darüber werden wir in einer der nächsten Vollversammlungen reden und nicht heute. So war es jedenfalls unter den Fraktionen abgesprochen, Herr Maier (Redner der Freien Wähler).

Einen herzlichen Dank an die Verwaltung für die Aufstellung des Haushalts und die Aufarbeitung der Anträge. Wir wollten Ihnen künftig das Leben etwas erleichtern durch unseren GPA-Antrag, der prüfen sollte, ob Sie eventuell mehr Ressourcen benötigen, um diese aufwändige Arbeit zu schultern. Dass es dazu nicht kommt, verantworten die anderen Fraktionen.“