Deutschlandtakt bringt zweite Stammstrecke light

Sie erinnerte in ihrer Rede vor der Regionalversammlung auch daran, dass es vor wenigen Monaten noch geheißen hatte, nichts geht als die FDP-Regionalfraktion für weitere Verbesserungen im S-Bahn-Netz plädiert hatte: „manchmal geht’s doch schneller als man denkt“, zitierte sie die „Sitzungsvorlage Nr. 060/2020 Verkehrsausschuss am 20.05.2020 Prüfung Umsetzbarkeit Zweite Stammstrecke, Seite 4, Punkt 2. „Neue Trasse mit Durchquerung des Talkessels. Für eine solche Trasse gibt es derzeit noch keine Überlegungen. Man kann jedoch davon ausgehen, dass eine solche Strecke entweder in Nord-Süd- oder in Ost-West-Richtung durch Stuttgart laufen würde.“

In der Tat, ein Blick auf die Karte in der heutigen Sitzungsunterlage bestätigt das. Da läuft ein Tunnel von West nach Ost. Und wir lesen: „Der Tunnel Nordzulauf stellt eine sinnvolle Infrastrukturergänzung zur Realisierung des Deutschlandtakt im Knoten Stuttgart dar. Für die Realisierung wird der Bau der P-Option erforderlich. … In Verbindung mit der Realisierung der P-Option ergeben sich mögliche Leistungssteigerungen im Regionalverkehr auf der Achse aus Richtung Ludwigsburg. Die zusätzliche Anbindung des Nordastes an den Tunnel Bad-Cannstatt erweitert die Anbindung des Nordastes aus Richtung Feuerbach/Zuffenhausen an den Hauptbahnhof um weitere zwei Gleise. Dadurch können mehr Züge aus dem Nordast in den Hauptbahnhof geführt werden.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

es wird Sie nicht überraschen: Die FDP-Regionalfraktion findet das gut, wir stimmen dem zu, vor allem, weil diese Stammstrecke light oder Express, wie immer Sie das nennen wollen, aus Bundesmitteln finanziert wird, wenn sie kommt. Was wir nicht nur hoffen wollen, sondern was eine Voraussetzung für diese Zustimmung ist.

Um das klar zu sagen: Wir sind für alle Maßnahmen, die die Kapazitäten unserer S-Bahn im Besonderen und der Bahn im Allgemeinen steigern. Vorausgesetzt: die Finanzierung ist klar und belastbar. Wir wollen „S 21-Diskussionen“ nicht nochmal erleben. Wir erinnern uns: Der heute Klimaretter Bahn war da noch der leibhaftige Seibeiuns. Teufelswerk, Geldvernichter. Sollte oben bleiben.

Jetzt geht es unten rund. Deutschlandtakt, neue Investitionen in eine Technologie des 19. Jahrhunderts, die im 21. Jahrhundert ganz neue Höhen erreichen soll. Um es klar zusagen: Wir könnten den heute von der Verwaltung in der Sitzungsvorlage vorgestellten Ausbauüberlegungen folgen, wenn sie sich konkretisieren lassen und sie durchfinanziert sind.

Natürlich Kostensteigerungen inklusive, die ja bei solchen Projekten bedauerlicherweise immer zu erwarten sind, wie wir aus leidvoller Erfahrung wissen. Sie wissen ja auch:  Die FDP-Regionalfraktion ist nicht dafür, Geld zum Fenster rauszuwerfen. Aber sie ist durchaus dafür, Geld zu investieren, wenn diese Investition Früchte trägt. Sprich, wenn sie den wirtschaftlichen Standort Region Stuttgart stärkt, Arbeitsplätze erhält oder schafft und den Wohlstand mehrt.

Wir begleiten dabei das Bahn-Maßnahmen-Bündel durchaus kritisch: Corona hat gezeigt, wie anfällig Massentransportmittel sind, wenn Schutzmaßnahmen wie ein Lockdown greifen oder Menschen ohne Rücksicht auf mögliche Ansteckungsgefahren unterwegs sind. Wir gehen auch davon aus, dass die Corona-Krise nur die erste von weiteren Virenausbrüchen sind wird, die uns in den nächsten Jahrzehnten bedrohen werden. Schweinegrippe, Vogelgrippe, Corona, die Ereignisse werden immer dichter.

Aber wir stehen auch dazu, dass die S-Bahn und ihre Zubringer in der Region unverzichtbar sind, solange Hunderttausende von Menschen täglich zu transportieren sind. Wir wissen aus dem Strukturbericht 2019 der Region, dass zwölf Prozent des Verkehrsaufkommens und rund 25 Prozent der Verkehrsleistung

der Region Stuttgart durch den ÖPNV erbracht werden. Wir wissen auch, dass wir zwischen Stuttgart und der übrigen Region unterscheiden müssen. In Stuttgart liegt die ÖPNV-Nutzung aufgrund des ÖPNV-Angebots laut Bericht bei rund 37 Prozent; in der Region Stuttgart ohne die Landeshauptstadt, sind es lediglich 21 Prozent.

Das heißt auch, dass wir darauf achten müssen, dass die Investitionen, Leistungen und Verbesserungen nicht nur Stuttgart zugutekommen. In diesem Punkt ist der Gäubahntunnel ein gutes Beispiel. Er hilft der Kapazitätssteigerung für die ganze Region. Und auch er erfüllt die Bedingung, die Ausfallsicherheit des S-Bahn-Systems zu erhöhen.

Bleibt die Frage, ob wir einen Ergänzungsbahnhof brauchen? Die Geschäftsstelle sagt „nein“. Wir sagen, die Argumentation der Geschäftsstelle ist schlüssig. Zusätzliche Investitionen in einen Ergänzungsbahnhof sind nicht notwendig. Sie sind auch nicht finanziert. Und außerdem gilt: Wenn Geld da ist, gibt es Dringenderes als einen Ergänzungsbahnhof, wie die Geschäftsstelle in der Sitzungsvorlage selber schreibt: „Wichtig ist der Hinweis, dass im Stadtbahnnetz dringend weitere Ergänzungen erforderlich werden.“

Das heißt zusammengefasst: Unsere Fraktion folgt den Beschlussvorschlägen der Verwaltung. Unsere Fraktion freut sich, dass sich durch die aktuelle Entwicklung diverse Möglichkeiten auftun, die Verkehrssicherheit unseres S-Bahn-Netzes zu stärken und damit fast auf die Leistungsfähigkeit einer zweiten Stammstrecke zu kommen. Und das schaffen wir nach Aussage unserer Geschäftsstelle ohne den Ergänzungsbahnhof, den das Verkehrsministerium als notwendig ansieht. Der Verband sagt dazu, es „hat sich gezeigt, dass die derzeit geplante Infrastruktur in Verbindung mit dem vorgesehenen und deutlich ausgeweiteten Angebot in der Lage ist, auch den deutlich gestiegenen aktuellen Anforderungen und Erwartungen gerecht zu werden.“ Sprich, die S-Bahn fährt mit den geplanten Ausbauten sicherer. Und hoffentlich pünktlich, wenn sich die Zahl der Fahrgäste wieder erhöht. Denn das Ziel, vergessen wir das nicht, ist es die Zahl der Fahrgäste zu verdoppeln und zwar sowohl auf den überregionalen DB-Strecken als auch auf den regionalen S-Bahn- und ÖPNV-Strecken. Das ist ehrgeizig.

Bleibt noch die Frage: Wo wäre die Region heute, wenn sich die S21-Gegner durchgesetzt hätten? Nicht oben auf, eher unten durch.