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Nur gute Planung schützt vor Kostenexplosionen

Unsere Elbfilharmonie ist die S-Bahn

Christian Ahrendt

Christian Ahrendt

Das Thema treibt alle um: Wie bekommt man öffentliche Großprojekte finanziell in den Griff? Denn kaum ist ein Bauprojekt beschlossen, schon folgt die Meldung, dass es teurer wird. Dagegen hilft nur eines: Eine kompetente Planung sagt Christian Ahrendt (Bild rechts), Vizepräsident des Bundesrechnungshofes.

Was steckt hinter Kostenexplosionen und was kann die Politik tun, um gegenzusteuern? Um diese Fragen ging es bei der jüngsten Anhörung der FDP-Regionalfraktion im Podium der Ludwigsburger Musikhalle. Ein Auslöser der Anhörung machte tags darauf schon wieder Schlagzeilen: „SSB will bei S 2 am zweiten Gleis sparen – neue Hiobsbotschaft bei der Verlängerung der S-Bahn auf den Fildern“ stand in den „Stuttgarter Nachrichten“ zu lesen. „Elbphilharmonie ist überall“, titelte die Ludwigsburger Kreiszeitung über ihren Bericht der Veranstaltung.

Kai Buschmann

Kai Buschmann

Kai Buschmann, Fraktionsvorsitzender der FDP-Regionalfraktion und Moderator des Diskussionsabends hatte zum Einstieg genau dieses konkrete Beispiel aus der Region parat: Die Verlängerung der S2, ganze 3,9 Kilometer lang. Im Jahr 2009 bei Beschlussfassung des Projekts wurden 93 Millionen Euro Baukosten anvisiert. Im Jahr 2014 als die Planungen von der SSB konkretisiert und aktualisiert wurden, waren es 125 Millionen Euro. „Völlig normal“, sei diese Steigerung um 25 Prozent über diesen Zeitraum hinweg, lautete das Statement seitens des Verbands Region Stuttgart.

„Erst planen, dann bauen“, brachte es der Vizepräsident des Bundesrechnungshofes, Christian Ahrendt im Podium der Musikhalle auf einen Nenner. Beide Phasen müssten strikt voneinander getrennt werden, weil sonst das finanzielle Fiasko vorprogrammiert sei. Nur eine ausführungsreife Planung bei Großprojekten, bevor die ersten Aufträge überhaupt vergeben werden, bewahre vor bösen Überraschungen. Bei Bauprojekten würde es oft menschlich zugehen, meinte Ahrendt. Die Entscheidungsträger hätten ein meist recht unklares Ziel vor Augen. „Die rosarote Brille, durch die sie dann schauen, macht sie blind vor den Risiken.“ Externe und neutrale Fachleute im Controlling seien deshalb unerlässlich, um frühzeitig Alarm zu schlagen“, fasste Thomas Faulhaber von der Ludwigsburger Kreiszeitung  in seinem Bericht, die Aussagen von Christian Ahrendt zusammen.

Nina Kiehne und Andreas Lohner

Nina Kiehne und Andreas Lohner

Als Großprojekt definierten dabei sowohl Ahrendt als auch die beiden  Referenten von der Wirtschaftsprüfergesellschaft KPMG, Andreas Lohner und Nina Kiehne, „alle Projekte, die in ihrer Komplexität nicht zu überblicken sind“. Das kann ein Flughafenneubau sein oder ein Kreiskrankenhaus.

Eine „genaue Bedarfsplanung, eine „genaue Wirtschaftlichkeitsrechnung und eine neutrale Kontrolle“, hält der Jurist Ahrend für unabdingbar. Es müsse eine objektive Beurteilung geben, „unbeeinträchtigt vom Blick durch die rosarote Brille, die jedes überteuerte Projekt schönredet“. Auch sollten die Bürger frühzeitig in das Projekt eingebunden sein und es sollten stets realistische Kosten präsentiert werden. Die erreiche man über eine detaillierte Planung. „Je genauer die Projektplanung, desto genauer können Kosten abgeschätzt werden und desto eher können Fehler korrigiert werden.“ Baukostensteigerungen sollten ehrlich betrachtet werden. Ahrendt wie auch die beiden geladenen Wirtschaftsprüfer plädierten zudem für eine „Ausstiegskultur“ bzw. eine „Exitmöglichkeit“, um Projekte nicht auf Gedeih und Verderb durchzuziehen. Zwischen der Entwurfs- und der Genehmigungsplanung muss geklärt sein, ob man aufhört oder weitermacht und schließlich in die Ausführungsplanung einsteigt.

Nina Kiehne erklärt kriminelle Machenschaften

Nina Kiehne erklärt kriminelle Machenschaften

Für die beiden KPMG-Referenten Andreas Lohner und Nina Kiehne, die sich Gedanken zum Thema „Krumme Touren oder Inkompetenz beim Projektmanagement“ gemacht haben ist der wesentliche Erfolgsfaktor eines Projekts die „Projektkommunikation“. Nur wenn die zwischen allen Beteiligten, Entscheidern, Planern und Bauausführenden übereinstimmt, kann das Projekt gelingen. Als Kostentreiber sehen die Wirtschaftsprüfer unrealistische Businesspläne, aber auch die baubegleitende Planung, denn Sonderwünsche verteuern ein Projekt immer. Auch die mangelnde Erfahrung derjenigen, die über ein solches Projekt abstimmen, es planen oder durchführen, spiele eine große Rolle. Als weitere Ursachen nannten Kiehne und Lohner ein lückenhaftes Risikomanagement, eine fehlende Kontrolle sowie eine unzureichende Ablauforganisation. Eine frühzeitige richtige Weichenstellung sei nötig, denn man bewege sich im Spannungsfeld von Baukosten, der Einhaltung von Terminen und der Qualität des Objekts.

Bereits bei der Projektinitiierung müssten alle an einen Tisch, um Risiken zu umschiffen, so Kiehne. Hier müsse der Umfang und die Zielsetzung genau geklärt sein, ebenso, ob es mögliche Bau-Varianten gebe. Eine genaue Kostenermittlung müsse erfolgen, auch eine Baukostenprognose sei notwendig. Sprich: „Welche Kosten drohen mir denn, wenn es beispielsweise zu Verzögerungen kommt und der Kran, der Architekt, der Bauingenieur und der Bautrupp weiter bezahlt werden muss?“

Es sei zwar Fakt, dass es bei allen Projekten eine baubegleitende Planung gebe, „aber wenn diese das Übergewicht bekommt, wie beispielsweise beim Flughafen Berlin geschehen, ist das äußerst ungünstig“, so Lohner.

Auch die ausführenden Gewerke warten manchmal mit bösen Überraschungen auf: Oftmals beginnt die Misere also bereits bei der Projektausschreibung, die unter Umständen ungenau oder fehlerhaft ist. Denn mancher Anbieter nutzt dann schlicht die Lücken im System, gibt ein preiswertes Angebot ab, um den Zuschlag zu erhalten, und macht versteckte Mehrkosten erst später öffentlich. Für Lohner und Kiehne steht fest: „Jedes Gremium, das entscheidungsbeauftragt ist, benötigt Fachwissen und muss so aufgestellt sein, dass es die Entscheidung treffen kann.“ Im Zweifel müsse man sich Fachwissen von neutraler Stelle holen.

Kai Buschmann, der als Fraktionsvorsitzender der FDP-Regionalfraktion den Diskussionsabend moderierte, zitierte den Planer der SSB, Volker Christiani: „Hätten wir die echten Kosten gesagt, hätten sie es nicht beschlossen“, zur Kostenexplosion bei der S2, die im Verkehrsausschuss trotzdem geschluckt wurde. Die Forderung nach einer anderen Vorgehensweise, versuche die Fraktion in die Praxis umzusetzen. Er erinnerte dabei auch an die Vergabepraxis im Nachbarland der Schweiz: Dort erhält bei öffentlichen Projekten generell nicht der „beste“ Bieter den Zuschlag, sondern der „zweitbeste“.  Das macht krumme Touren schwerer.

podiumpublikum