Eine Fahrt – ein Ticket – aber erst 2021

Baden-Württemberg-Tarif GmbH: Langsam besser ist besser als gar nicht besser

Die FDP-Regionalfraktion findet’s gut, dass der Mensch künftig am Ort A eine Fahrkarte nach Ort B lösen kann und sich keine Gedanken über die Feinheiten der Tarifverbünde machen muss. Auch wenn’s 2021 wird. 

„Langsam besser ist besser als gar nicht besser.“  So hat es Gudrun Wilhelm in ihrer Rede zum Thema Baden-Württemberg-Tarif GmbH auf den Punkt gebracht. Hier die Rede im Wortlaut:

Herr Vorsitzender, Frau Direktorin,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren,
wir bekommen eine Baden-Württemberg-Tarif-GmbH. Das heißt, der Mensch kann künftig am Ort A eine Fahrkarte nach Ort B lösen und muss sich keine Gedanken mehr machen, welche Feinheiten die diversen Tarifverbünde sich für ihre Fahrgäste ausgedacht haben.

Ganz ohne Ironie: Das ist eine bahnbrechende Errungenschaft.

22 Verbünde in haben wir in Baden-Württemberg. Das bedeutet einen Wust an Zuständigkeiten, Preisen und vor allem an jede Menge wichtiger Leute, die mitreden wollen. Denn das daraus entstehende kunterbunte Tarifdurcheinander in öffentlichen Nahverkehr ist schon längst über das hinaus, was für einen Kunden erträglich ist. Denen sind Verkehrsverbünde vollkommen egal. Doch der öffentliche Nahverkehr bremst sich mit dieser Struktur selber aus. Einsteigen, starten, losfahren – beim Auto dauert das Prozedere wenn’s hoch kommt 60 Sekunden. Von mir aus gerne noch 60 Sekunden mehr für die Eingabe des Ziels ins Navi. Beim ÖPNV? Kommt drauf an, aber deutlich länger dauert es auf alle Fälle.

Das hat seinen Grund. Wenn ich es auf den Punkt bringe, dann liegt das daran, dass die Preisgestaltung nicht darauf angelegt ist, möglichst einfache Tarife zu bieten. Wäre das hier eine betriebswirtschaftliche Vorlesung, müsste ich sagen, die Tarifgestaltung, die wir heute haben, ist ein Musterbeispiel für überzogenes Yield-Management, sprich eine Preisdifferenzierung, die versucht, von allen Zielgruppen das maximal Mögliche an Gewinn abzuschöpfen. Am konkreten Beispiel. Seniorenticket gegen Monatsticket. Wer arbeitet, muss den ÖPNV nutzen, wenn er ohne Auto den Arbeitsplatz erreichen will, muss also mehr bezahlen. Wer 65 ist, ist nicht auf den ÖPNV angewiesen, weil er nicht mehr arbeitet. Also wird er mit niedrigeren Preisen gelockt. Es hat aber seine Tücken, wenn Tarif beispielsweise am Alter festgemacht wird: Das Seniorenticket kannst du ab 65 Jahren nutzen, für die Altersgrenze gilt, Rentner wirst Du immer später. Nach den Regeln des Yield-Management verlangt das dann schon wieder neue Regeln. Oder am besten einen Chip im Ohr für Senioren, der die Berechtigung nachweist.

Seniorentickets, Sozialtickets, Gartenschautickets, Kindertickets, Schülertickets, vielleicht demnächst Frauentickets, bei dieser Methode gibt’s keine Grenzen. Außer bei der Geduld der Kunden. An der Tankstelle zahlen fürs Benzin alle den gleichen Preis und das tut der Attraktivität des Autos auch keinen Abbruch. Könnte das daran liegen, dass es einfach verfügbar und einfach zu bedienen ist? Ist das die Konkurrenz, der der ÖPNV gerecht werden muss?

Beenden wir damit den kurzen Exkurs durch das Thema Preisgestaltung. Der sollte dazu dienen, die Ursache für den Tarifdschungel und die notwendige Verbesserung beschreiben. Kommen wir zur Verbesserung. Die FDP-Regionalfraktion begrüßt die Baden-Württemberg-Tarif-GmbH. Die FDP-Regionalfraktion begrüßt sie deshalb, weil Baden-Württemberg damit quasi zu einer einheitlichen Tarifzone wird. Die FDP will ja auch eine Tarifänderung im Verbundgebiet mit maximal zwei Zonen – einer Innen- und einer Außenzone. Das würde der Baden-Württemberg-Tarif-GmbH gewaltig helfen, ihr Ziel umzusetzen.

Es gibt aber auch einen Punkt, den wir überhaupt nicht verstehen und den wir auch heftig kritisieren möchten: Wieso dauert es noch vier, ich wiederhole vier Jahre, ein Baden-Württemberg-Ticket komplett umzusetzen? Können wir es uns den überhaupt leisten, noch solange zu warten? Wir brauchen mehr ÖPNV-Nutzer, wir brauchen ein besseres Angebot. Der Umstieg hat angesichts drohender Fahrverbote durch Umwelthilfeklagen in Stuttgart, Backnang, Esslingen, Freiberg, Herrenberg Leinfelden-Echterdingen, Leonberg, Ludwigsburg, Markgröningen, Pleidelsheim allein in der Region sicher doch höchste Priorität. Aber wenn wir in unsere Beratungsunterlage sehen, sehen wir, es dauert bis 2021 bis die Fahrgäste landesweit durchgängige Fahrkarten über die Grenzen der Verkehrsverbünde hinweg vom Start bis zum Ziel ihrer Fahrt lösen können. Verkehrsminister Hermanns Versprechen: „Das BW-Tarif-Ticket soll dann in Bahnen und Bussen gleichermaßen gelten nach dem Motto: Eine Fahrt – ein Ticket! Von jeder ÖPNV-Haltestelle zu jeder anderen im Land.“ Ich weiß ja nicht, ob der Verkehrsminister Winfried Hermann 2021 noch im Amt ist, aber mit Ruhm bekleckert hat er sich dann nicht. Hinter Tempobeschränkungen auf der Autobahn ist er deutlich zügiger her.

Aber sei es wie es sei: Langsam besser ist wenigstens besser als gar nicht besser.

Also hoffen wir auf eine schlagkräftige GmbH, die beim Tempo der Umsetzung kein Limit beachtet. Hoffen wir, dass eine perfekte Werbung die Menschen in ein paar Jahren scharenweise zu BW-Ticketnutzern macht. Und hoffen wir, dass der Verband Region Stuttgart mit seinen fünf Prozent als treibende Kraft auftritt und nicht als zänkelndes Element, wie wir es jetzt wieder hinter den Kulissen bei der Besetzung des Aufsichtsratssitzes erleben durften. Ich sag‘ nur Männer und ihre Machtspielchen.