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Windkraftgebiete: rot-rot-grün dank Freier Wähler stark

FDP-Fraktion wollte elf weitere Standorte streichen, Freie Wähler verhindern es

30 Windkraftstandorte sind aus Sicht der FDP-Regionalfraktion für die Region Stuttgart „schon mehr als genug“, sagt Fraktionsvorsitzender Kai Buschmann. Deswegen hatte die Fraktion beantragt, elf Standorte aus der aktuellen 41er-Liste zu streichen. Sie hat dabei die Standorte genommen, „bei denen wir uns eine Chance ausgerechnet haben, dass der Beschluss des Planungsausschusses von der Regionalversammlung noch geändert werden könnte.“ Mit der CDU herrschte Einigkeit. Die Freien Wähler haben die Verringerung der Vorranggebiete verhindert: „In allen Fällen haben deren Stimmen den Ausschlag gegeben, dass diese Standorte noch in der Standortliste sind“, sagt Kai Buschmann enttäuscht: „Die Freien Wähler tragen jetzt die Verantwortung für diese Liste, denn ohne sie hätte rot-rot-grün sich nicht durchsetzen können.“

Kai Buschmann plädierte namens der FDP-Regionalfraktion in seiner Rede für „Maß und Mitte“, zitiert ihn die Pressemitteilung des Verbandes zur Sitzung, „… auf diesen Nenner bringt Kai Buschmann die Position der FDP-Fraktion, die sich für 30 Gebiete aussprach. Die Windräder sollten an windstarken Standorten konzentriert werden. Man müsse den Realitäten der Region ins Auge sehen und die Windenergie „maßvoll und effektiv“ ausbauen. Die Region habe deutlich mehr als „einen substantiellen Beitrag“ geleistet.“

Hier die komplette Rede im Wortlaut: „Die FDP Fraktion hat sich in der Debatte um die Windkraftstandorte für eine Position von „Maß und Mitte“ eingesetzt. „Maß und Mitte“ heißt für uns: Keine Windräder dort, wo nur ein laues Lüftchen weht, sondern Windräder an windstarken Standorten und dort möglichst konzentriert. In einer Abwägung sagen wir: 200 Meter hohe Windräder sind ein erheblicher Eingriff ins Landschaftsbild und müssen sich rechtfertigen lassen durch hohen Ertrag und damit hohe Wirtschaftlichkeit. Für uns war es auch immer wichtig, die Region Stuttgart im Konzert der anderen Regionen im Land zu sehen: Wenn viel größere und windstärkere Regionalverbände Vorranggebiete im 20er-Mengenbereich ausweisen, ist überhaupt nicht einzusehen, warum die besonders windschwache Region Stuttgart im 40er-, 50er-, 60er- oder gar 70er-Bereich rangieren soll. Das hat mit „Maß und Mitte“ nichts mehr zu tun. Zumal wir mit einer maßvolleren Ausweisung unseren Beitrag zu den 1200 Windrädern vollkommen leisten, die die Landesregierung haben möchte. „Es bleibt eine Unwucht. Oder positiv formuliert: Jedenfalls hat die Region deutlich mehr geliefert als der geforderte „substanzielle Beitrag“, wie die Landesregierung es gerne formuliert.“, so kommentierte die Stuttgarter Zeitung vorletzte Woche das Ergebnis der Planungsausschusssitzung und sie hat Recht.

Andere Regionalzeitungen haben genau gegenteilig kommentiert und aus dem Beschluss vom letzten Mittwoch einen Anschlag auf die Energiewende gemacht. Das ist einfach Unfug. Das Ziel der Energiewende, auf Atomstrom zu verzichten, bleibt, aber wir sollten in der Region Stuttgart doch bitte so effizient sein, das Ziel schwerpunktmäßig mit den Ressourcen anzustreben, die hier verstärkt zur Verfügung stehen: Die Sonne kann verträglicher und reichhaltiger liefern als der Wind. Und mit unserer Forschungsinfrastruktur werden wir in den nächsten Jahren nicht nur eine Revolution bei der Speichertechnik, sondern auch bei Eigenstromerzeugung in den Gebäudehüllen erleben: Wir sollten uns in den nächsten Jahren mehr mit Algenbioreaktorfassaden oder energieerzeugenden Fenstern beschäftigen als mit Windkraftanlagen.

Wir haben uns seit Beginn der Diskussion bemüht, eine Mehrheit für eine 1.000-Meter-Schutzzone für Menschen rund um die Windkraftanlagen zu finden. Wie sie unserem heutigen Antrag in der Anlage entnehmen können, ist das im benachbarten Hessen bei einer Landesregierung mit grüner Beteiligung Standard. Die Landesregierung hier und leider auch die Mehrheit in der Regionalversammlung schlagen aber alle Warnungen in den Wind, dass ohne eine solche Regelung rechtlichen Auseinandersetzungen zwischen Menschen und Verwaltung Tür und Tor geöffnet ist. Wir haben überlegt, ob wir den Antrag heute nochmal stellen. Wir haben uns entschlossen, das nicht zu tun. Wir haben uns entschieden bei elf Gebieten noch eine Streichung anzustreben. Denn wir sagen auch: Wir sind nicht dazu da, die Fehler dieser Landesregierung auszubügeln, die nicht auf die Menschen hört. Wer nicht hören will, muss fühlen, sagt der Volksmund. Diese Landesregierung wird den Widerstand aus allen Gebieten in der Region zu spüren bekommen. Die optimalen Grundlagen für Klagen gegen die Windkraft hat diese Landesregierung selbst gelegt. Es genügt eben nicht, einfach in ein Landesplanungsgesetz die Pflicht reinzuschreiben, dass Vorranggebiete ausgewiesen werden müssen. Es gehört auch dazu „Bei der Standortwahl für Windkraftanlagen … insbesondere Rücksicht auf benachbarte Siedlungen (an erster Stelle genannt!), den Luftverkehr, das Landschaftsbild und ökologische Belange zu nehmen“, wie es im noch immer gültigen Landesentwicklungsplan formuliert ist, der noch unter einem FDP-Wirtschaftsminister 2002 erarbeitet wurde.

Meine Damen und Herren, die Energiewende ist eine 2011 ad hoc beschlossene – gute – Idee nach Fukushima. Nach der Geburt von Ideen kommt als nächster Schritt normalerweise die Konfrontation der Idee mit den Realitäten. Wenn diese zweite Phase nach der Ideengeburt verleugnet wird, entwickeln sich die Idee zur Ideologie. Wer in der Region Stuttgart mangelnden Wind, dichte Besiedlung und den Landschafts- und Naturschutz einfach verleugnet und an der Maximalkulisse an Windrädern festhält, ist so ein Ideologe.

Der Gegencheck der Ideen an der Realität fällt vielen schwer. Warum? Die Antwort gibt der Philosoph Hans Blumenberg mit seiner Formulierung „Wer investiert hat, glaubt länger“ (zit. in Die Zeit v. 23.7.2015). Die Landesregierung, die Grünen, die SPD und die Linken haben politisches Kapital investiert und glauben länger. Großinvestoren und Bürgergenossenschaften investieren Finanzkapital und glauben länger. Die Verwaltung hat eine unglaubliche Menge an Zeit und Humankapital investiert und glaubt länger. Der Kirchentag ist aber vorbei. Es heißt jetzt, den Realitäten der Region Stuttgart ins Auge sehen und das heißt: Maßvoller Ausbau der Windkraft. Insbesondere im Schurwald beim Standort ES-03 und generell im Rems-Murr-Kreis und teilweise auch im Landkreis Göppingen ist das Maß noch nicht getroffen. Es ist logisch, dass dort mehr Standorte ausgewiesen werden als im Westen der Region, der noch im Windschatten des Schwarzwaldes liegt. Unsere Beschlussempfehlung vom letzten Mittwoch bedeutet aber eine Überbelastung vor allem des Rems-Murr-Kreises. Hier schlägt ja selbst die Verwaltung Streichungen und Reduzierungen vor, die wir als Minimum selbstverständlich mittragen. Dass WN-25 (Buocher Höhe) noch auf der Liste ist, ist der Hammer. Hier geht es nur um „länger glauben“ und sonst gar nichts. Landschaftsschutz, Naturschutz, Siedlungsnähe, Erholungswert, Flächengröße und Flugsicherung – alles spricht gegen diesen Standort.

Wir werben dafür, bei den von uns zur Streichung vorgeschlagenen Gebieten nochmals in sich zu gehen. Es sind alles Standorte, bei denen es am vorletzten Mittwoch eine knappe Entscheidung gegeben hat. Wir werben für einen maßvollen und effektiven Ausbau der Windkraft. Bitte unterstützen Sie dieses Anliegen. “Die Wahrheit ist, dass wir auf allen Feldern die Komplexität der Energiewende unterschätzt haben.” Dieser Satz stammt nicht von mir, sondern von Sigmar Gabriel (am 17.4.2014 in Kassel geäußert). Vielleicht nehmen sich das auch die Kollegen von den Sozialdemokraten zu Herzen; Genauso wie die Tatsache, dass ihr Landtagsabgeordneter Wolfgang Drexler bei der Unterschriftensammlung gegen den Standort ES-03 laut „Pro-Schurwald“ mit unterschrieben hat. Diese Info darf natürlich auch die Freien Wähler beeindrucken.“

Im Antrag für die Regionalversammlung am 30. September waren folgende Beschlüsse beantragt worden.

  1.  Regionalversammlung beschließt, folgende Gebiete als Vorranggebiete für Windkraft zu streichen:
    1. Standort ES-03 Weißer Stein. Für die Beschlussfassung über diesen Standort wird gleichzeitig namentliche Abstimmung beantragt.
    2. Standort ES-06 Wernau, Rotenhau.
    3. Standort GP-01 Adelberg-Kaiserstraße,
    4. Standort GP-15 Kuchberg, Bad Überkingen. Für die Beschlussfassung über diesen Standort wird gleichzeitig namentliche Abstimmung beantragt.
    5. Standort GP-16 Horn-Unterdübel, Aichelberg. Für die Beschlussfassung über diesen Standort wird gleichzeitig namentliche Abstimmung beantragt.
    6. Standort WN-05 Hohe Brach, Großerlach.
    7. Standort WN-12 Zollstock, Springstein. Für die Beschlussfassung über diesen Standort wird gleichzeitig namentliche Abstimmung beantragt.
    8. Standort WN-25 Buocher Höhe I, Waiblingen. Für die Beschlussfassung über diesen Standort wird gleichzeitig namentliche Abstimmung beantragt.
    9. Standort WN-26 Buocher Höhe II, Berglen.
    10. Standort WN-29 Plüderhausen, Hohbergkopf.
    11. Standort WN-35 Kaiserstraße, Schorndorf.
  2.   Die Regionalversammlung beschließt, dass die insgesamt beschlossenen Vorranggebiete unter den Vorbehalt gestellt werden, dass die Regionalverwaltung von der Landesregierung eine rechtsverbindliche Erklärung erhält, die bestätigt, dass das Land den Verzicht auf eine Mindestabstandsregelung wie die von der FDP-Regionalfraktion geforderten 1.000-Meter (oder eines anderen vom Land festgelegten Abstandes) aufgrund der aktuellen Rechtsprechung für unbedenklich hält. Und dass das Land den Verband Region Stuttgart von den etwaigen Ansprüchen von Investoren freistellt, wenn seine Rechtsauffassung nicht zutrifft. Dazu fordert die Regionalverwaltung von der Landesregierung eine Übersicht der bis jetzt von den Verwaltungsgerichten in den Ländern bis zum Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Urteile zu Windkraftregelungen, -planungen und -gebieten und ihrer rechtlichen Einschätzung dazu an.
  3. Die Regionalversammlung beschließt, dass die Regionalverwaltung den Beschluss zu den Windkraft-Vorranggebieten der Regionalversammlung um eine Anlage ergänzt, die erklärt, welcher rechtliche Status erreicht ist und welche rechtlichen Folgen mit dem von der Regionalversammlung gefassten „qualifizierten Zwischenbeschluss“ verbunden sind, um Bevölkerung und Investoren ein klares Bild ihrer weiteren Möglichkeiten zu geben.

In der Begründung heißt es dazu:

Zu den Einzelpunkten des Antragspunktes 1 erfolgt Einzelbegründung in der Sitzung.

Zu Punkt 2 ist festzustellen, dass die Rechtslage in der Bundesrepublik für das verantwortliche Gremium bei seiner Entscheidung nicht zu überblicken ist. So hat das Hessische Verwaltungsgericht in Kassel mit Urteil vom 23. September 2015 festgestellt: „Die Bestimmung im Landesentwicklungsplan Hessen, nach der bei der Festlegung von sog. Vorranggebieten zur Nutzung der Windenergie in Regionalplänen ein Mindestabstand von 1.000 m zu bestehenden und zu geplanten Siedlungsgebieten zu wahren ist, verstößt nicht gegen gesetzliche Vorschriften oder gegen rechtliche Grundsätze.“ Die schwarz-grüne Landesregierung in Hessen hat laut PM Nr. 16/2015 des Gerichts die „… am 10. Juli 2013 in Kraft getretenen Änderung des Landesentwicklungsplans Hessen … nach Zustimmung des Landtages u. a. Kriterien für die Ermittlung sog. Vorranggebiete zur Nutzung der Windenergie mit einer Ausschlusswirkung für übrige Plangebiete beschlossen. Danach ist für die Ermittlung dieser Vorranggebiete durch die regionalen Planungsversammlungen ein Mindestabstand zu bestehenden und zu geplanten Siedlungsgebieten von 1.000 m zu wahren …“ Dagegen hatte ein Investor geklagt. Das Gericht stellte jetzt fest „die Festlegung eines derartigen Mindestabstandes (führe) zu keiner Verhinderungsplanung.“ Für die Regionalversammlung ist vor allem die Frage relevant, inwieweit die Region gegebenenfalls in Regress genommen werden kann. Da die grün-rote Landesregierung anders als die schwarz-grüne in Hessen keine Mindestabstände will und die Mehrheit der Regionalversammlung entsprechend entschieden hat, ist die Mindestforderung, dass sich die Region durch das Land von Regressansprüchen freistellen lässt.

Punkt 3: Die Fraktion hat bei ihrer Windradtour in der Region und den folgenden Reaktionen feststellen müssen, dass die rechtliche Qualität des heute zu fassenden Beschlusses unklar ist. Deswegen ist eine nähere Erklärung notwendig.

Die Regionalversammlung folgte den Streichungsvorschlägen nicht. Damit gilt jetzt vorläufig die folgenden Liste. Vorläufig, weil es sich um keinen endgültigen, sondern um einen Zwischenbeschluss handelte, weil beispielsweise die Landratsämter einzelne Vorranggebiete noch prüfen müssen.

Tabelle der beschlossenen Windkraft-Vorranggebiete vom 30.09.2015

Bericht der Waiblinger Kreiszeitung zum Windkraftstandort Buocher Höhe

Bericht der Südwestpresse über die Windkraftentscheidung

Bericht der NWZ zur Windkraftentscheidung

Bericht in der Bietigheimer Zeitung zur Windkraftentscheidung

Bericht der Stuttgarter Zeitung online zur Windkraftentscheidung

Bericht der Stuttgarter Nachrichten zur Windkraftentscheidung (online)

Bericht der Stuttgarter Nachrichten zum Tauschwald (online)

Kommentar von Alexander Ikrat in den Stuttgarter Nachrichten

Bericht über Urteil des Verwaltungsgerichtshofes Hessen zum 1.000-Meter-Abstand in der Hessenschau

Vorberichterstattung zur Sitzung in den Stuttgarter Nachrichten

Windkraftkritik im Bereich Göppingen in der Stuttgarter Zeitung